Friedrich Hecker: Der Volkstribun

VON HEINZ SIEBOLD

Der Mannheimer Rechtsanwalt, Sohn eines Rentamtmanns in Eichterdingen (Kraichgau), wird als Abgeordneter der 2. Kammer des badischen Parlamentes zum Idol der radikalen Demokraten. Die Verehrung für ihn trägt fast religiöse Züge. Teller, Pfeifen, Biergläser und andere Gebrauchsgegenstände mit dem Konterfei des Volkstribunen sind schon vor der bewaffneten Erhebung vom April 1848 in Umlauf. Der kläglich gescheiterte “Heckerzug” schmälert seine Popularität in keiner Weise. Im Gegenteil, die Verehrung wird zu einem regelrechten Kult. Für Heckers Begnadigung setzen sich schon im Juni 1848 zahlreiche Konstanzer Bürger ein. Sie schreiben in einer Petition an die Nationalversammlung: “Mag Hecker auch das Schwert zu früh gezogen haben, er zog es doch, das ist allbekannt, nur in lauterer Absicht.” (Oberrheinische Zeitung 27.6.1848) Doch die Lichtgestalt der badischen Revolutionäre entzieht sich den Niederungen der Politik und wandert aus Enttäuschung über die mißlungene Revolution schon am 20. September 1848 nach Amerika aus. Sein Abschied in Straßburg muß etwa so tränenreich gewesen sein, wie ein letzter Auftritt eines Popstars in heutiger Zeit. In New York wird er bei seiner Ankunft von 20.000 jubelnden Menschen empfangen.

REVOLUTIONÄR IN BADEN - FARMER IN ILLINOIS

 Der Bürgermeister und eine Delegation des Gemeinderates begrüßen den Einwanderer und geleiten ihn im Triumphzug zur “city hall”. Die starke deutsche Gemeinde setzt große Hoffnungen in den legendären “Volksmann” und lädt ihn zu ausgedehnten Vortragsreisen ein. Hecker enttäuscht seine Anhänger jedoch durch langweilige und lustlose Referate. Er verliert rasch an Ansehen und die Fackelzüge und Huldigungen lassen nach. Daraufhin zieht er sich vorübergehend aus der Politik zurück und läßt sich als Farmer in Belleville im Staate Illinois nieder. Die landwirtschaftenden europäischen Akademiker werden von den Amerikanern spöttisch als “latin farmers” gehänselt. Friedrich Hecker beginnt, Reben zu züchten und experimentierte mit verschiedenen Anbaumethoden. Rebstöcke, die er dem Auggener Weingutsbesitzer Blankenhorn schickte, werden in Baden als “Amerikaner” angepflanzt. 

COMEBACK IN BADEN?

Friedrich Hecker wird am 13. Mai 1849 zur zweiten Runde der Revolution nach Baden zurückgerufen. Die entschiedenen Revolutionäre wie Goegg, Struve und Sigel wollen auf die Massenwirksamkeit und Integrationskraft des Volkshelden nicht verzichten. Der provisorische Regierungschef Brentano hat es mit der Benachrichtigung Heckers jedoch nicht eilig. Anstatt einen eigenen Gesandten nach Amerika zu schicken, und dort den Telegraphen zu benutzen, schreibt Brentano einen Brief an den großherzoglich-badischen Konsul in New York, der alles andere als ein Freund Heckers ist. Der Konsul hat es überhaupt nicht eilig, Hecker zu verständigen. Als ihn die Nachricht von der Revolution in Baden erreicht, zögert Hecker keinen Augenblick und reist mit dem nächsten Schiff nach Europa. Die Niederlage der Revolutionsregierung unter Brentano steht jedoch bereits fest und gerade erst in Straßburg angekommen, kehrt Hecker am 15. Juli 1849 um und fährt nach Amerika zurück. 

"ICH HABE DAMIT ABGESCHLOSSEN"

Zornig schreibt er seinem Schweizer Freund , dem “Schlüssel”-Wirt Mesmer in Muttenz: “Meine Rechnung mit der alten Welt ist abgeschlossen. Eh nicht dieses Geschlecht vergangen ist, wird ein vernünftiger, haltbarer Staat nicht erstehen und kein genialer kräftiger, redlicher Mann das Steuer führen. ... Das Geschick hat es wohlwollend mit mir gemeint. Wäre ich in dieser abermals verunglückten Bewegung einer der Leiter gewesen, wäre mein guter Name jetzt ebenso tief in den Pfuhl getreten. Denn keine Epoche der Weltgeschichte weist in einer so gewaltig bewegten Zeit einen so offenbaren Bankrott an Genies oder großen Charakteren auf als die jetzige.” (Neue Freiburger Zeitung 7. September 1849)

Hecker als Soldat der Nordstaaten

OBERST DER NORDSTAATEN-ARMEE

Als die amerikanischen Südstaaten zur Verteidigung der Sklaverei den Sezessionskrieg entfachten, stellt sich Hecker als bereits 50jähriger freiwillig den Nordstaaten zur Verfügung und wird 1861 Oberst der Armee. Nach Querelen mit anderen Offizieren legt er jedoch das Kommando bald wieder nieder. Als Befehlshaber in einer Division von Carl Schurz entgeht Hecker nur knapp einer tödlichen Verwundung. Ein Geschoß prallt an seiner Schnupftabakdose in der Brusttasche ab. Hecker betätigt sich weiterhin politisch im Rahmen der republikanischen Partei, hält Vorträge in Kreisen der deutschen Einwanderer und leitet den örtlichen Turnverein. Er verteidigt die Republik gegenüber den monarchischen Staatsformen, äußert sich aber nicht zu den Verhältnissen in Deutschland. 

"FRAUEN NICHT IN DIE POLITIK"

Gegenüber Frauen, die sich in die Politik einmischten, pflegt er ein durchweg archaisches Vorurteil. “Jeder ehrliche Mann und jede ehrliche Frau wird zugestehen,” schreibt er 1871, “ daß das Weib, kraft seiner natürlichen Organisation, nicht auf die Kreise des ganzen rauhen äußeren Lebens, nicht der meisten der Industriezweige, des Verkehrs, ja nicht einmal stürmischer Börsentage, sondern auf Haus, Familie, Erziehung und Unterweisung von der Natur angewiesen ist.” (Aus den Reden & Vorlesungen von Friedrich Hecker; Waldkirch) Die Frauen sollten auf keinen Fall den Fehler begehen, in die Politik einzugreifen, denn: “Sobald die Frauen es den Männern gleichthun und in die Arena der Parteikämpfe herabsteigen, werden sie nicht ferner auf die zarte Rücksicht rechnen dürfen. Sie werden dann, und zwar als hervorragende Parteigängerinnen, oder gar Kandidatinnen, ebenso schonungslos behandelt, ihr Leben und Weben in der Öffentlichkeit ebenso rücksichtslos kritisirt, bloßgestellt, verzerrt und besudelt werden, als uns Männern dies zu Theil wird. ... Der Partei-Männin wird man keinen Pardon geben ...” (ebd) Diese Einstellung hat Hecker, im Gegensatz zu Gustav Struve auch ganz persönlich gelebt. Frau Hecker ist nicht, wie Amalie Struve oder Emma Herwegh an der Seite ihres Mannes politisch tätig gewesen. 

FESTZUG IN FRANKFURT 

1873 kehrt Friedrich Hecker zu einem Besuch nach Deutschland zurück und wird in mehreren Städten herzlich empfangen. In Frankfurt wird ein Fackelzug zu seinen Ehren veranstaltet gegen den die Polizei einschreitet. Hecker besucht in Freiburg seinen Freund Carl Mez und die Fabrikantenfamilie Risler, Freunde seines Bruders Karl. Auch Heinrich von Gagern, der Bruder des im Gefecht bei Kandern erschossenen Befehlshabers der Regierungstruppen, empfängt den Altrevolutionär. Die beiden waren in der “Vormärz”-Zeit Duzfreunde und das Wiedersehen wird von Hecker als offizielle Entlastung vom verleumderischen Vorwurf des Meuchelmordes an Friedrich von Gagern betrachtet. Mit der nationalen Einheit auf Bismarcksche Art hat sich Hecker nicht angefreundet: “Es mag ein politischer Fortschritt, verglichen mit der düsteren Reaktion der 50er Jahre vorliegen, aber einen steten freiheitlichen Weiteraufbau auf dem 1848 Errungenen sehe ich nicht”, schreibt er nach seiner Rückkehr in die USA. (zit. nach: Friedrich Hecker. Rolle, Programm und politische Möglichkeiten eines Führers der radikal-demokratischen Bewegung von 1847/48 in Baden. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin; vorgelegt von Andreas Lück aus Berlin; Berlin 1979) Friedrich Hecker stirbt am 24. März 1881 im Alter von 77 Jahren in St. Louis, wo er unter großer Anteilnahme bestattet wird. Ein Denkmal erinnert dort an ihn.

Grabstein von Friedrich Hecker in Illinois 

Foto: Von Steffen Wurzel - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=110870027

Kurios: Zum 200. von Friedrich Hecker haben sie in seinem Heimatort ein Parfum kreiert. Der Duft der Freiheit?

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