Der Herwegh-Zug 

Hauptmann Lipp im Gefecht bei Dossenbach

VON HEINZ SIEBOLD

 

Endstation Dossenbach – die tragische Geschichte der Herwegh-Legion

 

 

Zur Zeit der französischen Februar-Revolution 1848 lebten Tausende von Deutschen in Paris – Bürger, Handwerker und Arbeiter, die aus wirtschaftlicher Not oder politisch verfolgt ihre Heimat verlassen hatten. Viele von ihnen wollten zurückkehren und auch in ihren deutschen Heimatländern für eine demokratische Republik kämpfen. Aus ihren Reihen bildete sich eine „Deutsche Demokratische Legion“, die sich als politischen Anführer den ebenfalls im Pariser Exil lebenden Dichter Georg Herwegh auswählten. Mit Versen wie: „Frisch auf mein Volk mit Trommelschlag /im Zorneswetterschein/Oh wag es doch nur einen Tag,/nur einen, frei zu sein“ war Herwegh neben Heinrich Heine der Star der „Vormärz-Dichter“ geworden. Anführer einer Freischar wurde der militärisch unbeleckte Literat wider Willen, das Kommando übernahmen ehemalige Offiziere. 

 

Mit fast 2000 Rückwanderern und seiner Frau Emma brach Herwegh nach Straßburg auf, doch die reaktionären und konservativen Politiker und Zeitungen nutzten die Schar zur antifranzösischen Stimmungsmache, dem sogenannte „Franzosenlärm“ und behaupteten, eine französische Armee wolle in Baden einmarschieren. Die Beteuerungen von Herwegh, sie kämen als „Freunde und Bundesgenossen“ zurück, wurden in deutschen Landen jedoch überhört. Auch der Revolutionsführer Friedrich Hecker fürchtete angesichts der Lügenkampagne als "Franzosenknecht" verleumdet zu werden. Erst kurz vor dem entscheidenden Gefecht der Hecker-Schar bei Kandern am Vorabend des 20. Aprils bekam die Kundschafterin Emma Herwegh die Zusage, dass die Legion willkommen sei. Als die nur noch 649 Männer und eine Frau am 24. April bei Kembs über den Rhein setzten, erfuhren sie in Kandern von Heckers Niederlage und marschierten weiter Richtung Freiburg. Doch großherzogliches Militär stürmte dort Ostern 1848 die Barrikaden und Herweghs Legion musste umkehren und nach kurzer Rast auf dem Wiedener Eck den Rückzug über den Blauen, das Wiesental und die Hohe Möhr antreten. Der Weg über den Dinkelberg war die letzte Möglichkeit, sich in der Schweiz in Sicherheit zu bringen. 

 

Nach zehnstündigem Nachtmarsch von Zell auf den Dinkelberg kam die erschöpfte, hungrige und durchnässte Truppe am Morgen des 27. April 1848 über Hasel nach Dossenbach und wurde von einer 130 Mann starken Kompanie württembergischer Soldaten gestellt. Die Herwegh-Legion war zu einem Gefecht nicht wirklich in der Lage. Der ungleiche Kampf war nach eineinhalb Stunden entschieden. Die übermüdeten Freischärler hatten keine Chance gegen gut trainierte und besser bewaffnete Soldaten. Die Zahl der Toten auf beiden Seiten ist nicht genau dokumentiert. In Dossenbach wurden 10 Freischärler begraben. Ein Grabstein auf dem Friedhof erinnert daran. Das Ehepaar Herwegh konnte sich dank tatkräftiger Hilfe des Karsauer Bauern und Gastwirts Jacob Bannwarth in die Schweiz retten. Auch anderen gelang die Flucht, viele Freischärler ertranken jedoch im Rhein als sie in die Schweiz fliehen wollten. Mit dem Gefecht in Dossenbach war der revolutionäre Frühling 1848 vorbei.

 

In Dossenbach erinnert ein beschilderter Weg rund um das ehemalige Gefechtsfeld an das tragische Ende der Legion. 

Xaver Schwäbl hat sich mit dem Herwegh-Zug ausgiebig beschäftigt. Daraus ist auch diese Grafik entstanden, die uns sein Sohn Hartmut Schwäbl zur Verfügung gestellt hat. Herzlichen Dank!

Am Gedenkstein

Georg und Emma Herwegh

VON HEINZ SIEBOLD

 

Georg Herwegh wurde 1817 in Stuttgart als Sohn des Gastwirts Ludwig Ernst und Rosine Catharina Herwegh geboren. Nach dem Gymnasium studierte er in Tübingen Theologie und Rechtswissenschaften und kam in Konflikt mit dem Militär. Nachdem sich ein Offizier von ihm beleidigt fühlte, floh er vor dem Militärdienst in die Schweiz. Mit den "Gedichten eines Lebendigen" katapultierte sich der Dichter 1841 trotz Zensur mit Spitzenauflagen an die Spitze der deutschen Freiheitsliteraten. Auf einer triumphalen Reise durch Deutschland im Herbst 1842 lernte Herwegh in Berlin sein künftige Frau Emma kennen.

Emma Siegmund wurde in Berlin als Tochter des Bekleidungshändlers und Hoflieferanten Gottfried Siegmund in wohlhabende Verhältnisse hineingeboren. Die hochgebildete, zu Pferd und beim Pistolenschießen sichere junge Frau suchte sich 1842 anstatt eines adeligen Bewerbers bewußt den Freiheitsdichter als Ehemann aus. Schon nach wenigen Tagen Bekanntschaft verlobte sich das Paar in Berlin. Seine Fans kreideten Georg Herwegh die "Geldheirat" als Verrat an der revolutionären Sache an. Der König von Preußen verwies den Dichter ausser Landes. Die Herweghs konnten erst 1843 in Baqden/Schweiz heiraten. Der Kanton Basel-Land hatte Herwegh gegen Zahlung eines namhaften Betrags das Bürgerrecht verliehen.

 

DIE EISERNE LERCHE

 

Nach der Hochzeit lebte das Paar in Paris und verkehrte in der Emigrantenszene unter anderem mit Richard Wagner, Franz Liszt, Karl Marx und Heinrich Heine. Heine nannte seinen Kollegen Herwegh "die Eiserne Lerche". Nach dem gescheiterten Zug der Deutschen Demokratischen Legion wurden die Herweghs Opfer einer europaweiten Verleumdungskampagne. Dazu beigetragen hat allerdings auch der Dichter selbst, der ein Liebesverhältnis mit der Frau seines besten Freundes einging. Die tragische Affäre wurde in Zeitungen bis nach Amerika breitgetreten. 

Trotz alledem hielt Emma eisern zu ihrem Mann. Literarisch machte Georg Herwegh erst wieder mit seinem "Bundeslied" aufmerksam, das er 1863 für den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" schrieb. Die Zeilen:

 

Mann der Arbeit aufgewacht

Und erkenne deine Macht

Alle Räder stehen still

Wenn dein starker Arm es will

 

sind bis zum heutigen Tag in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aktuell geblieben. Wegen seiner Kritik an Preußen ("Germania mir graut vor dir") wurde Herwegh literarisch totgeschwiegen. Am 7. April 1875 starb Georg Herwegh im Alter von 58 Jahren in Baden-Baden. Seine Frau Emma überlebte ihn fast 30 Jahre, sie starb am 24. März 1904 in Paris. Begraben sind beide in Liestal. Die Inschrift auf Georgs Grabstein trifft auch auf sie zu:

 

Von den Mächtigen verfolgt

Von den Knechten gehasst

Von den Meisten verkannt

Von den Seinen geliebt.

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