"Zwischen Potsdam und Freiburg"

Die Rede von Dr. Jutta Götzmann am 31.7.2024 anlässlich der Veranstaltung „Dortu – Neff – Kromer. Gedenkfeier für die Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“ 

Dr. Jutta Götzmann (Foto Annette Koroll)

Lieber Herr von Kirchbach, sehr geehrter Herr Erler, sehr geehrter Herr Meckel, verehrte Damen und Herren,

angenommen, die Revolution von 1848 wäre erfolgreich gewesen. Den Forderungen nach Mitsprache und Bürgerrechten sowie Pressefreiheit und nationaler Einheit wäre nachgekommen worden. Wie würde diese Veranstaltung heute aussehen? 

Vermutlich würden wir zusammenkommen und den Erfolgen der Revolutionär_innen, als Voraussetzung für eine demokratische Entwicklung, gedenken und feiern. Denn der in Potsdam 1826 geborene Revolutionär Max Dortu, an dessen Grabstätte wir stehen, hätte dabei eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. 

Bekanntlich kam es anders, die Revolution wurde niedergeschlagen und Dortu wurde heute vor 175 Jahren standesrechtlich für seine Teilnahme am Aufstand erschossen. Weiter wurden in den deutschen Staaten die wenigen bis dato liberalen Errungenschaften wieder abgeschafft und die Revolutionär_innen verfolgt.

Es bedarf Mut, Selbstlosigkeit, Zielstrebigkeit und Risikobereitschaft, um solch weitreichende Veränderungen anzuvisieren. Diese Charaktereigenschaften zeichneten Dortu aus, und machen ihn auch noch heute zu einem Vorbild für all jene, die nach Freiheit und Demokratie streben und die liberalen Werte verteidigen. 

Deshalb ist es notwendig sich an ihn und die 48er-Revolutionär_innen zu erinnern – hier und heute, wie wir es tun, ebenso aber auch im musealen Kontext – dazu komme ich gleich.

Gestatten Sie mir einen Blick auf seine Potsdamer Zeit und auf das, was von ihm in Potsdam geblieben ist. Als Sohn des Berliner Justizrats Ludwig Wilhelm Dortu und der Potsdamer Bürgertochter Pauline Schlinke wurde Maximilian am 29. Juni 1826 in Potsdam geboren. Die Familie ließ sich dort nieder, nachdem der Vater zwei Häuser am Stadtkanal gekauft hatte. (In eines davon zog später die Dortu-Grundschule). Ludwig Wilhelm Dortu wurde in die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung gewählt, wo er am 6. März 1848 ein Reformprogramm vorlegte, das Pressefreiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit sowie ein Ende der Polizeiwillkür beinhaltete.

Eine humanistische, demokratische und antiautoritäre Haltung wird dem Jungen bereits im Elternhause anerzogen, und es ist wahrscheinlich, dass der Vater die Gesinnung seines Sohnes entscheidend geprägt und dessen späteres Tun uneingeschränkt gebilligt hat. 

In der konservativ-monarchischen Stadt legte Max Dortu an der Großen Stadtschule seine Reifeprüfung ab und studierte danach in Berlin, später in Heidelberg Rechts- und Verwaltungswissenschaften. Als er im Mai 1847 in seine Heimatstadt zurückkehrte, um am Potsdamer Stadtgericht in der Lindenstraße (der heutigen Gedenkstätte Lindenstraße für die Diktaturen des 20. Jh.s) seine berufliche Laufbahn als Jurist zu beginnen, keimte in ihm bereits revolutionäres Gedankengut. 

Max radikalisierte sich zunehmend und ging in Berlin auf die Barrikaden. Er attackierte den Bruder des Königs mit scharfen Worten und brillierte als Redner auf öffentlichen Versammlungen. Mit Mitstreitern demolierte der junge Mann eine Eisenbahnstrecke in Nowawes, um die Zerschlagung der Revolution in Berlin zu verhindern. Steckbrieflich gesucht, gelang ihm die Flucht nach Paris, dann in die Schweiz und schließlich nach Baden, wo er in der dortigen Revolutionsarmee mitkämpfte und gefasst wurde. 

Seine Festnahme in Freiburg am 06. Juli 1849, seine Übergabe an die Preußische Militärjustiz sowie seine Verurteilung und Hinrichtung sind hier bestens bekannt.

Wie gehen wir heute in Freiburg mit Max Dortu um?

Sie initiieren hier am authentischen Grab des Revolutionärs den Gedenktag mit ständig wechselnden Schwerpunkten und Akteuren.

Im Rahmen des künftigen Dauerausstellungsbereichs „Protest und Revolution“ im Augustinermuseum gehen wir als Museum der Frage nach, wofür Menschen protestieren. Was sind die Merkmale einer Revolution? Im Zuge der Revolution 1848/49 wird Dortu, im Halbprofil und überlebensgroß im Ausstellungsraum zu sehen sein. Überschrieben ist das Porträt, bei dem es sich im Original um einen Holzstich handelt, mit den Worten: „Brüder, zielt gut ! / - ich sterbe voller Freude und Muth, weil ich / für die Befreiung der Völker gekämpft habe. - / Max Dortu“ Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus dem Brief an seine Eltern, geschrieben am 31. Juli 1849, morgens um 3:45 Uhr, also eine 1/4 Stunde vor seinem Tod.

Zwar scheiterte die Revolution schon nach eineinhalb Jahren, doch sind die Leitideen der 1848er wichtig für die Entwicklung eines demokratischen Deutschlands. Der Ausstellungsbereich streift weitere historische Revolutionen und macht auf zeiten-übergreifende Strukturen aufmerksam, gegen die sich Menschen auflehnten. Einige davon zeigen sich noch heute und deshalb gilt: Die Zeit der Revolutionen ist längst nicht vorbei. 

Wie gestaltet sich das Gedenken in Potsdam heute? 

In Potsdam ist das Geburtshaus mit einer Gedenktafel des Künstlers Walter Bullert versehen, darin die „Max-Dortu-Schule“. Die Straße davor, ehemals Waisenhaustrasse, wurde in Dortustrasse umbenannt.

Und – vielleicht das wichtigste Resultat im Rückblick auf Max Dortu – seit 2017 vergibt die Stadt Potsdam den „Max Dortu-Preis für Zivilcourage und gelebte Demokratie“. An den ersten beiden Preisverleihungen habe ich selbst als Hausherrin teilgenommen, denn sie fanden und finden alle zwei Jahre im Veranstaltungssaal des Potsdam Museums – Forum für Kunst und Geschichte statt – an dem viele Jahre als Direktorin gewirkt habe. 

Preisträger waren 2017 der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, 2019 die Crew-Mitglieder des Seenotrettungsschiffes IUVENTA. Die dritte Preisverleihung ging 2022 an den Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der sich als Sohn koreanischer Eltern seit vielen Jahren gegen die Verbreitung von Hasskommentaren und Hasshetze in den sozialen Netzwerken einsetzt. 

Die Stichwörter „Zivilcourage“ und „gelebte Demokratie“ sind in der jetzigen gesellschaftlichen und politischen Situation wichtiger denn je und somit der Einsatz für die Freiheit des Einzelnen und eine demokratisch verfasste Gesellschaft! 

Wir alle können und müssen mit unserem täglichen Engagement dazu beitragen!

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